Die Gastronomie in der Krise
Warum die Gastronomie immer noch mit der Pandemie und ihren Folgeerscheinungen zu kämpfen hat und was dagegen getan werden kann.
Die Coronabeschränkungen fallen eine nach der anderen. Warum öffnen immer noch viele Gastronomen ihre Türen nicht?
Seit einigen Wochen sinkt die Corona-Inzidenz in Deutschland kontinuierlich und die Gastronomie und Eventbranche atmet langsam wieder auf. Nun stellt sich aber unweigerlich die Frage, warum trotz sinkender Zahlen und wegfallender gesetzlicher Regelungen immer noch nicht alle gastronomische Betriebe geöffnet haben oder zumindest nicht komplett geöffnet sind?
Ein entscheidender Faktor hierbei ist der ausgeprägte Personalmangel in diesem Bereich. Während der Corona-Pandemie mussten viele Beschäftigte der Gastronomie in Kurzarbeit gehen und haben sich notgedrungen einen anderen Job als Quereinsteiger:in in einer anderen Branche gesucht. Auch wenn dieser vielleicht nicht wirklich mehr Entlohnung versprach, so gibt es doch einige Vorteile gegenüber des „alten Arbeitgebers“.
Die Gastronomie hat sich sukzessiv über die letzten Jahre die wenigen serviceaffinen und kompetenten Fachkräfte und Mitarbeiter:innen vertrieben. Nicht nur die Entlohnung im Mindestlohnbereich hat ihnen zugesetzt. Noch viel gravierender war die nur wenig vorhandene Wertschätzung des Geleisteten und die vielen „schwarzen Schafe“, die es geschafft haben, jeglichen erfolgversprechenden Nachwuchs in der Branche die Leidenschaft an dieser Arbeit zu nehmen.
Dienstpläne, die Sonntagabend für die darauffolgende Woche geschrieben wurden; Arbeitsschichten von bis zu 13 Stunden, die keine Seltenheit waren; Azubis die nach der schulischen Theorie noch eine komplette Abendveranstaltung im Unternehmen mittragen mussten. Dies alles sind Beispiele aus dem täglichen Arbeitsleben von Angestellten in der Gastronomie. Um hier nur ein paar No-Gos anzusprechen.
Nun steht diese Branche, die vor vielen Jahren noch einen hohen Stellenwert in der Gesellschaft hatte, vor dem qualitativen und personellen Verfall. Schon jetzt müssen immer mehr Gastronom:innen auf einfachere Konzepte, wie die Selbstbedienung der Gäste oder „High Convenience Food“ zurückgreifen, nur weil das Personal vorne (Service) wie hinten (Küche) fehlt.
Da stellt sich für viele Geschäftsleute natürlich die Frage aller Fragen:
Kann man diesen sich über Jahre hinwegsetzenden Trend überhaupt noch stoppen?
Zum einen wird man nicht drum herum kommen seiner Belegschaft einen angemessenen Lohn zu bezahlen. Auch wenn dieser folgerichtig, mit höheren Speise- und Getränkepreisen an die eigenen Gäste weitergegeben werden muss. Allein dieser Ansatz wäre aber viel zu kurz gegriffen. Was viel wichtiger ist, ist die aktive Wertschätzung und offene Kommunikation mit den Angestellten, die in vielen handwerklichen Betrieben komplett abhandengekommen ist.
Eine neue Generation von Arbeitnehmer:innen steht vor dem Eintritt in den Arbeitsmarkt und wird schon sehr bald den größten Teil der vorhandenen Arbeitskräfte ausmachen. Die „alte Denkweise“ der Unternehmen muss radikal aus den Köpfen der heutigen Führungskräfte verschwinden, damit überhaupt noch eine Chance besteht, diese Branche wieder attraktiv für Arbeitnehmer:innen zu gestalten.
Ausgebildete Fachkräfte sind heutzutage ein unglaublich hohes Gut und sollten dementsprechend behandelt werden. Wer sich um sein Personal kümmert, aktiv Feedback einholt und erfragt, was die Kollege:innen so umtreibt, ist schon einen ganzen Schritt weiter.
Arbeit wird heute nicht mehr als Lebensmittelpunkt angesehen, sondern als Mittel zum Zweck und sollte dennoch einen wirklichen Sinn im eigenen Leben darstellen und im besten Fall dazu auch noch Freude machen. Wer dies alles in seinem Führungsstil vereinen kann, hat gute Chancen wieder Mitarbeiter:innen zu finden, die gerne in der Gastronomie arbeiten und sich bewusst dafür entscheiden.
Wer eine gegenseitige, harmonische Arbeitsweise in seinem Unternehmen erreicht, wird auch wieder Personal aus anderen Branchen zurück gewinnen und vormaligen Quereinsteiger:innen wieder die Lust an der Gastronomie zurückgeben.
Auch wenn sich für viele Gastronom:innen, die -bereits etablierten- „New Work“ Ansätze anhören, als wäre die ausschließlich etwas für IT-Firmen und Büroangestellte, so ist genau dieser Ansatz im Umgang mit Mitarbeiter:innen ein wichtiger Schlüssel, um wieder jenes in der Gastronomie zu erreichen, was jahrelang diese Branche so attraktiv gemacht hat.
Die Freude, Gästen etwas Gutes zu tun und gemeinsam eine schöne Zeit miteinander zu verleben. Wo sonst kann man dort arbeiten, wo andere Urlaub machen oder sich vom Stress des Alltags erholen? Wo sonst kann man Geld verdienen und gleichzeitig die schönsten Momente des Lebens Anderer miterleben?
Dafür steht diese Branche! Für Herzlichkeit, mit Leib und Seele Gastgeber:in sein und dem Gegenüber etwas Gutes tun zu wollen. Nur müssen wir jenes auch wieder nicht nur bei den Gästen anwenden, sondern auch wieder auf unsere Kolleg:innen und Teammitglieder!
Welche Ansätze gibt es nun, um wieder Leidenschaft und Motivation bei den eigenen Mitarbeiter:innen anzufachen und das über Jahre zerstörte Vertrauen in die Gastronomie wiederaufzubauen?
Ein Ansatz wäre, wie schon angedeutet, der Weg der New Work Bewegung. Unter eben jener Bewegung versteht man das Miteinander von Menschen und die Chance, Dinge mit zu gestalten und zu verändern. Nur Angestellte, die sich selber verwirklichen können und aus dem selbst Geleisteten Energie schöpfen, sind wirklich zufriedene und motivierte Angestellte.
Um dafür die Basis zu schaffen, benötigt es einen gegenseitigen Vertrauensaufbau im Unternehmen und eine ehrliche und positive Feedbackkultur aller. Die jeweiligen Teammitglieder sollten bestenfalls ihre gegenseitigen Stärken und Schwächen kennen und bewusst kombinieren. Nur wer sich selber und seine Teammitglieder gut kennt, kann auch Hürden und unvorhergesehene Probleme effektiv überwinden und gemeinsam den Unternehmenserfolg voranbringen.
Solch ausgeglichene Teams werden ebenfalls von den Gästen komplett anders wahrgenommen und versprühen ganz automatisch eine positive und entspannte Atmosphäre.
Kleine Aufmerksamkeiten im Onboarding-Prozess, wie zum Beispiel eine zugesendete handgeschriebene Willkommens-Postkarte des gesamten Teams, die eine Woche vor Arbeitsantritt beim neuen Kollegen zuhause ankommt, kann die innere Vorfreude des/der Angestellten auf den Start mächtig beeinflussen. Oder wöchentliche, feste Meetings aller Mitarbeiter:innen, welches alle Veränderungen und Herausforderungen der bevorstehenden Woche zum Thema hat. Somit kann sichergestellt werden, dass alle Mitarbeiter:innen den gleichen Wissensstand haben und optimal vorbereitet sind.
Auch eine positive Fehlerkultur sollte unbedingt gelebt werden. Denn Fehler werden überall gemacht und sollten nicht als Tabu angesehen werden. Wer Fehler offen kommuniziert, hilft im besten Fall mit, diesen Fehler im Unternehmen und Team nicht zu wiederholen.
Am Ende des Tages wollen alle Menschen das Gleiche. Einen Job finden, der sie fair entlohnt, geistige wie persönliche Erfüllung verspricht und jeden Tag aufs Neue ein Lächeln aufs Gesicht zaubert. Klingt unrealistisch? Muss es nicht … Es kommt ganz auf die Atmosphäre und Einstellung jedes Einzelnen an, um diesen „unrealistischen Traum“ Wirklichkeit werden zu lassen.
Ich persönlich hoffe, dass sich die Denkweise der Branche nun mit dem extremen Fachkräftemangel in Deutschland ändern wird und eine neue Generation Gastronom:innen diese Herausforderung als das ansieht, was es am Ende ist: Eine Chance, es besser zu machen und seine Beschäftigten als Potenzialträger:innen und Fachexpert:innen zu betrachten und nicht nur als bloße Arbeitskräfte, die austauschbar sind wie ein alter Lappen.
Credits: Titelbild: Thought Catalog Unsplash; Bild 1: Onesix Unsplash; Bild 2: Ross Findon Unsplash;